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Georg Salter

Buchdesigner in Berlin, 1922 - 1934

1933. Selbstzensur bei S. Fischer

Veröffentlicht am 09.12.2014

Nach dem Beginn der Nazi-Barbarei geriet auch der "jüdische" Verlag S. Fischer, der damals wichtigste deutsche Literaturverlag, bald unter Existenzdruck. Faktisch bereits von Schwiegersohn Gottfried Bermann Fischer geleitet (Samuel Fischer starb am 15. Oktober 1934), versuchte sich der traditionsreiche liberale Verlag zunächst in Deutschland zu behaupten, bevor ein Teil der Autoren und Rechte 1936 schließlich notgedrungen zum Bermann-Fischer Verlag nach Wien wechselte. "Zwei Direktoren des Verlages Gustav Kiepenheuer, Dr. Fritz Landshoff und Walter Landauer, hatten Deutschland sofort nach der Machtergreifung verlassen", erinnerte sich Bermann Fischer rückblickend. "Viele ihrer Autoren waren schwer gefährdet (Ernst Toller, Joseph Roth, Hermann Kesten, Heinrich Mann, Anna Seghers u.a.), konnten es nicht riskieren, auch nur noch einen Tag ihre Arbeit im Lande fortzusetzen (...) Meine Situation war anders.

Die damaligen Hauptautoren des Verlages - wie Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Hermann Hesse, Jakob Wassermann und viele andere (...) - waren zwar unbeliebt, aber keiner von ihnen war verboten. Selbst die "Neue Rundschau" konnte noch unzensiert weiter erscheinen. Es klingt heute unglaublich, dass zu dieser Zeit noch Beiträge von Jakob Wassermann, Thomas Mann etc. ungestört gedruckt werden konnten." (Bermann Fischer, Bedroht - bewahrt, S.77)

Bei näherer Beschäftigung mit der Verlagsgeschichte wird klar, dass Lage wie Haltung des Verlegers in Wahrheit nicht so eindeutig waren, wie das Zitat nahelegt. "Am 10. Mai sollen Bücher öffentlich verbrannt werden, symbolisch die Autoren", notierte Verlagslektor Oskar Loerke am 27. April 1933 in sein Tagebuch. "Aus unserem Verlag Schalom Asch, Döblin, Beer-Hofmann, Schnitzler! Wo führt das hin? Schwarze und weiße Listen! Auch die Buchhändler haben welche." Als Folge wuchsen die Remissionen. "Der Bücherabsatz war letzte Woche wie abgeschnitten", stellte Loerke fest. "Die Bücher der neuen Autoren kamen ballenweise zurück." (Loerke, Tagebücher 1903-1939, S.272). Die durch Bücherverbrennungen und Verbotslisten geschürte Unsicherheit führte zu Beginn der NS-Diktatur zu einer verzweifelten, von einzelnen Fischer-Autoren ob der mangelnden Konsequenz teilweise heftig kritisierten Mischung aus Traditions- und Selbstbehauptung und taktischen Zugeständnissen. Dieser Kurs lässt sich auch an höchst aufwändigen Manipulationen an Verlagswerbung und Schutzumschlägen ablesen, die ohne Zweifel durch den S. Fischer Verlag selbst organisiert und vermutlich auch selbst initiiert waren. In der Forschungsliteratur sind diese weitreichenden Eingriffe in die konkrete Verlagsproduktion nach meiner Kenntnis bisher noch nicht beschrieben worden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Überklebte Titelanzeigen auf Umschlagklappen der "S. Fischer Bücherei"

 

Die bereits ausgedruckten Schutzumschläge wurden entweder durch Überkleben von Zeilen auf den Umschlagklappen oder sogar durch den vollständigen, kunstvollen Austausch von Umschlagrückseiten verändert. Die Maßnahmen dienten jeweils dem Zweck, für inzwischen mißliebig gewordene Verlagsautoren nicht mehr öffentlich zu werben, und müssen in den beauftragten Druckereien erhebliche zusätzliche Arbeit verursacht haben. Beim Vergleich von originalen und manipulierten Umschlagversionen ist gut erkennbar, um welche Autoren es ging: Zum Beispiel um Arthur Schnitzler oder um Leonhard Frank, einen überzeugten Pazifisten und frühen Emigranten. Derart zensierte Umschlagvarianten mit veränderten Rückseiten gibt es für Thomas Manns "Königliche Hoheit" innerhalb des 1932 erschienenen 1.-50. Tausend der Sonderausgabe oder für Bernhard Kellermanns Roman "Die Stadt Anatol" (1932) im 11.-15. Tausend 1933. Georg Salter wird diese Eingriffe in sein Werk wohl allenfalls noch am Rande bemerkt haben. Durch die nationalsozialistische Ausgrenzung jüdischer Künstler hatte er zu jener Zeit bereits selbst schwer um sein berufliches Auskommen zu ringen.

 

Originaler Schutzumschlag von Georg Salter für "Königliche Hoheit" (1932)Originaler Schutzumschlag von Georg Salter für "Königliche Hoheit" (1932)Originaler Schutzumschlag von Georg Salter für "Die Stadt Anatol" (1932)Originaler Schutzumschlag von Georg Salter für "Die Stadt Anatol" (1932)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Manipulierter Schutzumschlag für "Königliche Hoheit" mit ausgetauschter Umschlagrückseite inkl. hinterer UmschlagklappeManipulierter Schutzumschlag für "Königliche Hoheit" mit ausgetauschter Umschlagrückseite inkl. hinterer Umschlagklappe

Schutzumschlag für "Die Stadt Anatol" im 11.-15. Tsd. mit sauber angesetzter neuer UmschlagrückseiteSchutzumschlag für "Die Stadt Anatol" im 11.-15. Tsd. mit sauber angesetzter neuer Umschlagrückseite